Osteopathie und Schwindel

Schwindel

Der Gleichgewichtssinn des Menschen ist eigentlich das Resultat einer komplexen Integration mehrerer anderer Sinne. Im Innenohr befindet sich das Vestibularorgan, welches unsere Position in Bezug zur Schwerkraft wahrnimmt. Auch der Sehsinn ist beteiligt. Des weiteren gibt es im ganzen Körper die Tiefensensibilität: Rezeptoren in Gelenken, Muskeln und Bindegewebe geben uns Aufschluss über ihre jeweiligen räumlichen Beziehungen zueinander und über ihre Spannung und Bewegungen. Alle diese Informationen werden im Gehirn für uns unbewusst miteinander abgeglichen und koordiniert, sodass wir ein stimmiges Gefühl für unsere Lage im Raum haben – also Gleichgewicht.

Wird dieses System an irgendeiner Stelle gestört, kommt es zu widersprüchlichen Informationen und es kann Unsicherheit und Schwindel entstehen. Das bedeutet, dass Schwindel keine alleinstehende Erkrankung ist, sondern ein Symptom, welches bei einer ganzen Reihe anderer Krankheiten und funktioneller Störungen auftritt. Je nachdem, wann der Schwindel auftritt, wie oft und wie lange, wie genau das Schwindelgefühl ist, welche weiteren Symptome und Grunderkrankungen der Patient angibt, lässt sich die Ursache des Geschehens oft schon eingrenzen. Daher ist ein ausführliches Anamnesegespräch wichtig. Eine Erkrankung des Innenohres, (wie beim Morbus Meniere, bei entzündlichen Prozessen oder dem sogenannten Lagerungsschwindel) verursacht in der Regel ein anderes Schwindelgefühl als eine Erkrankung der Regionen im Gehirn, die die eintreffenden Sinnesinformationen miteinander verschalten, weiterleiten und ein Gesamtbild entstehen lassen. Hier können Entzündungen, Traumata, Schlaganfälle, Tumore, Epilepsie, Multiple Sklerose, Parkinson und andere ernste neurologische Erkrankungen Auslöser sein.

»Das bedeutet, dass Schwindel keine alleinstehende Erkrankung ist, sondern ein Symptom, welches bei einer ganzen Reihe anderer Krankheiten und funktioneller Störungen auftritt.«

Auch Erkrankungen des Herz- Kreislaufsystems oder psychische Auslöser wie etwa bei Angststörungen verursachen oft Schwindel. Im Rahmen einer osteopathischen Behandlung ist es wichtig, zunächst auszuschließen, ob eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt und der Patient weitere neurologische, HNO- oder andere ärztliche Abklärung benötigt. Häufig besteht die Ursache jedoch auch in einem rein funktionellen Bereich. Liefert die Tiefensensibilität vor allem im Bereich der oberen Halswirbelsäule Fehlinformationen an das Gleichgewichtssystem (vertebragener Schwindel), wie dies bei einer Fehlspannung der Bänder, Sehnen und Muskulatur dort oder bei Blockierungen der Wirbel- und Kopf- und Kiefergelenke der Fall ist, stehen die osteopathischen Diagnose- und Behandlungskonzepte zur Verfügung, um einen solchen Schwindel zu behandeln. Auch Dysfunktionen im Bereich der unteren Wirbelsäule und deren bindegewebigen Beziehungen, der Iliosakral- und Fußgelenke und der Faszien des Bauches und Kopfes spielen aufgrund ihrer tiefensensorischen und statischen Integration im osteopathischen Denken dabei eine Rolle.

Viele Grunderkrankungnen, die mit Schwindel einhergehen, lassen sich gegebenenfalls neben einer schulmedizinischen Versorgung begleitend und unterstützend behandeln. In der craniosacralen Osteopathie gibt es zum Beispiel Strategien, die auf eine bessere Durchblutung, Innervation und Funktion des Innenohrs, der unterschiedlichen Regionen des Gehirns und der Hirnnerven abzielen. Im osteopathischen Verständnis können sich die körpereigenen Regulations- und Heilungstendenzen dadurch besser entfalten.